Montag, 11. Juni 2012

Solidarität mit den Berliner S-Bahn-Fahrern!

Mittwoch, 30. Mai 2012

Aktion 10 - 500 - 30

Die neoliberalen Offensiven treffen die Mehrheit der Bevölkerung, die nichts als ihre Arbeitskraft besitzt, in den letzten Jahren mit ungebremster Wucht. Es kommt jetzt darauf an, den wachsenden Unmut in Aktion und Aktivität umzuwandeln.

10 Euro Mindestlohn gesetzlich
500 Euro ALG-II-Mindestsatz
30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich

Forderungen nur auf dem Papier sind geduldig und bewirken allein noch nichts. Veränderungen im gesellschaftlichen Kräfteverhältnis kommen nur zustande, wenn die Lohnabhängigen in festen UND in prekären Verhältnissen sich miteinander und mit den immer zahlreicher werdenden Arbeitslosen für gemeinsame Forderungen praktisch zusammenschliessen.

Wie zusammenschliessen?
Wir rufen dazu auf, entlang der Losung 10 – 500 – 30 Aktionskomitees zu bilden, in den Stadtteilen, an Arbeitsplätzen, wo immer es möglich ist. Wie bildet man ein Aktionskomitee? Ganz einfach die Nachbarin, den Nachbarn, die Kollegin, den Kollegen, Freunde und Bekannte ansprechen und bei einem Treffen über die drei Losungen sprechen.

Was kann man tun?
Zunächst die Losung 10 – 500 – 30 weiter verbreiten und erklären. Andere Menschen dafür gewinnen, sie weiter zu verbreiten.
Es können Handzettel, Aufkleber und Flugblätter gemacht werden mit dieser Losung und der Aufforderung, sie weiter zu verbreiten.
Auch das altbekannte Mittel der Unterschriftensammlung kann angewendet werden. Gesammelte Unterschriften könnten etwa demonstrativ und öffentlichwirksam Instanzen verschiedener Parteien überbracht werden, die sich darauf berufen, soziale Politik betreiben zu wollen.
Vor allem die Linkspartei hat sich ja schon für solche Forderungen ausgesprochen, aber ausser wirkungslosen parlamentarischen Eingaben nichts dafür getan. Aber auch Piratenpartei, Grüne und SPD sollten entsprechend angegangen werden. Und natürlich auch die Gewerkschaften.
Entscheidend aber ist, dass die einfachen Menschen sich für ihre ureigenen Interessen stark machen, sich begegnen und gemeinsam 10 – 500 – 30 als Losung weiter verbreiten.
Diese Zahlenkombination könnte eine Art Welle der Selbstorganisation auslösen.

Entscheidend ist, die Initiative zur Verbreitung und Durchsetzung dieser Forderungen nicht den Apparaten von Parteien und Gewerkschaften zu überlassen, sondern die Menschen der großen Mehrheit der Bevölkerung dafür zu gewinnen, sich auf elementarer Ebene zu organisieren, miteinander ins Gespräch und in die gemeinsame Aktion zu kommen, und so aus der Passivität zu befreien.
Denn allein und isoliert sind wir alle schwach und hilflos, vereint aber sind wir stark.

Donnerstag, 24. Mai 2012

Die Linkspartei in Turbulenzen

Gysi spricht von Spaltungsgefahr in der Partei Die Linke und beschwört die beiden Flügel der Partei, die Einheit zu bewahren. Er enthüllt damit, daß die fast einstimmige Verabschiedung des Grundsatzprogramms der Linken nur die Verabschiedung von Scheingrundsätzen war. Das geschriebene Programm der PDL verschleiert, daß die beiden Flügel der PDL sich grundsätzlich uneinig sind. Gleichzeitig tut Gysi so, als gäbe es keine strategischen Differenzen. Er appellierte an Bartsch und Lafontaine, endlich zusammenzuarbeiten.

Die linkeren Strömungen der Partei hofften nach den schweren Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auf ein Comeback Lafontaines in der Bundespolitik und ein akzentuierteres Oppositionsprofil der Bundespartei. Mit ihm an der Spitze sollte die PDL für die Masse der Unzufriedenen zum Anziehungspol werden und wieder auf Wachstumskurs gebracht werden. Lafontaine verlangte, daß der rechte Flügel kleinbeigibt. In Bartsch sieht er einen illoyalen Strippenzieher, mit dessen Kurs er auch politisch nicht kann. Also verlangte er, daß der rechte Flügel der Partei Bartsch und seine Kandidatur für den Parteivorsitz zurückzieht. Einer echten Abstimmung wollte und will sich Lafontaine auf dem kommenden Parteitag aber offenbar nicht stellen. Der rechte Flügel mit den ostdeutschen Apparatschiks an der Spitze sieht sich aber durch niemanden besser repräsentiert als durch Dietmar Bartsch. Die Parteirechte hat genug von Lafontaines linkspopulistischen Sprüchen, die die SPD verschrecken und setzt auf eine effiziente Verwaltung der kapitalistischen Krise im Bündnis mit der SPD. Nach kommunalpolitischen Erfolgen in Thüringen wittern die ostdeutschen Provinzapparatschiks zudem Morgenluft für ihren Reformkurs.

Lafontaines Rückzug hinterläßt die breitere Bundesführung erst einmal ratlos.


Die Einheit der PDL ist brüchig

Die Personaldebatte der PDL kann nicht verdecken, daß in der PDL gänzlich verschiedene Strömungen des Reformismus miteinander in Konflikt stehen.

Die Strategie der Anpassung
Der rechte Flügel der Partei, geführt von den Apparaten der ostdeutschen Landesverbände, hat sich mit Haut und Haaren dem Kapitalismus verschrieben und will ebenso wie der SPD-Apparat gemeinsam mit der herrschenden Klasse die Krise verwalten. Gleichzeitig gefällt sich die PDL-Ost in der Attitüde der Verteidigerin der Ost-Interessen. Die PDL-Rechte betreibt letztlich ebenso wie die SPD eine nationale Standortsicherungspolitik, die nichts anderes ist als eine sozialpolitische Burgfriedenspolitik. Sie träumt davon, so irgendwann wieder Reformspielräume zu gewinnen. Bis dahin hofft sie, ihre wahlpolitischen Positionen dadurch zu sichern, daß sich die PDL-Politiker als effizientere Krisenverwalter profilieren.

Angesichts der Personaltableaus der sozialdemokratischen und bürgerlichen Konkurrenz in den ostdeutschen Bundesländern sind mit dieser Strategie bei Kommunal- und Landtagswahlen tatsächlich noch immer punktuelle Erfolge zu erzielen. Dabei spielt natürlich eine Rolle, daß die PDL aufgrund ihrer Vergangenheit im Osten noch immer mit den maßgebenden Eliten verbunden ist (die alten sind in aller Regel auch die neuen). Anders als von vielen Westlinken vermutet, macht das die PDL übrigens weder zu einer antikapitalistischen oder systemoppositionellen noch zu einer Volkspartei, die ihren Namen verdient. Auch von der tatsächlichen Verteidigung von „Ostinteressen“ kann keine Rede sein. Die scheinoppositionelle Attitüde half ihr nur dabei, Proteststimmen gegen den sozialen Kahlschlag der Bundesregierung zu sammeln. Aber in dem Maße wie sich die PDL bei anhaltender Krise als zahnloses Hauskätzchen des Kapitals entlarvt, verliert sie diese Proteststimmen auch im Osten. Mit dem Verlust des scheinbaren Nimbus einer Partei der sozialen Gerechtigkeit verzeichnet die überalterte PDL einen allmählichen Stimmenrückgang und wird für die Jugend immer weniger akzeptabel. Die will mehr Demokratie und Transparenz in der Politik. Je länger der Kapitalismus durch Krise und Stagnation, sowie konjunkturelle „Aufschwünge“ gekennzeichnet ist, die den Lohnabhängigen keine Verbesserungen bringen, um so mehr wird die PDL so auch im Osten zur absterbenden Partei – politisch und biologisch. Ihre Krisenverwaltungspolitik ist alles andere als anziehend und inspiriert nicht einmal ihre eigene Kernmitgliedschaft. Daß sie im Westen der Republik mit dieser Politik keine Chance hat, sich dauerhaft neben der SPD, den Grünen oder auch den Piraten dauerhaft zu etablieren, liegt auf der Hand.

Der rechte Flügel der PDL leidet bezüglich der Möglichkeiten bürgerlich-sozialreformerischer Politik in dieser krisenhaften Phase der kapitallistischen Entwicklung nicht nur unter Realitätsverlust. Auch mit dem Gedächtnis von Bartsch Co. ist es nicht weit her: Bartsch und seine politischen Freunde haben offenbar verdrängt, daß sie schon bei der Bundestagswahl 2002 die PDSmit der von ihnen verfolgten Politik in die Wahlniederlage geführt haben. Das war der letztliche Anlaß für das Zusammengehen mit der WASG.

Lafontaines Alternative
Lafontaine und die linkeren Reformkräfte der PDL, die so gern hinter ihn scharen würden, zeichnen demgegenüber durch ihr Gespür dafür aus, daß Wahlerfolge für Linke nur dort zu erzielen sind, wo es ihnen gelingt, sich zum politischen Ausdruck des sozialen Protests gegen die kapitalistische Krisenpolitik zu machen. Was heißt das? Die Linke in der BRD kann sich bei Wahlen nicht damit begnügen, nur die halbwegs bewußten Sozialisten bzw. Kommunisten zu mobilisieren. Sie ist auf weitere Stimmen von Protestwählern angewiesen, will sie in die Parlamente einziehen.

Lafontaine ist sich desssen bewußt und gibt deshalb immer wieder den linken Volkstribun. Er haut mit harschen Worten auf den Putz vorrangig der SPD, um für die PDL die Stimmen unzufriedener Wähleren zu gewinnen. Lafontaine hat gezeigt, daß eine solche Strategie zumindest für eine gewisse Zeit funktionieren kann. Melenchon mit seiner Front de Gauche – und vor ihm ansatzweise Besancenot für die NPA haben das in Frankreich ebenfalls erfolgreich vorgeführt. Die Stärke dieser Strategie ist zugleich ihre Schwäche. Sie bedarf der Mithilfe durch die politische Konkurrenz. Ohne den durch die kapitalistische Krise befeuerten Konflikt zwischen der alten Sozialdemokratie und ihrer Wählerbasis funktioniert sie nicht. Sobald die SPD halbwegs glaubwürdig Opposition spielt, schwächelt der linksreformistische Populismus. Das hat Lafontaine auch im Saarland in Form von Stimmenverlusten zu spüren bekommen.

Wieso? Die völlig richtige scharfe Abgrenzung und Kritik an der SPD wird bei Lafontaine und der PDL-Linken nicht durch eine Einheitsfrontperspektive komplettiert. So richtig es ist, die neoliberale SPD-Politik anzuprangern, so wichtig wäre es für die Linke, die SPD zugleich durch massive außerparlamentarische Kampagnen z.B. für die Einführung des Mindestlohns unter Druck zu setzen und sie im Interesse der gemeinsamen Wählerbasis hartnäckig zu gemeinsamen außerparlamentarischen und parlamentarischen Initiativen aufzufordern. Bei Lafontaine reichte es in der Zeit der Großen Koalition zwischen SPD und CDU diesbezüglich gerade einmal dazu, einen Gesetzesvorschlag der SPD ins Parlament einzubringen. Es folgten Presseerklärungen zur Entlarvung des Abstimmungsverhaltens der SPD-Fraktion, die aus Koalitionsdisziplin gegen ihren eigenen Gesetzentwurf stimmte. Aber wenn man die SPD unter Druck setzen will, um fortschrittliche Politik wenigstens punktuell durchzusetzen, reichen solcheisolierten Parlamentsinitiativen nicht aus. Die SPD konnte ihre Basis problemlos bei der Stange halten, weil die PDL gar keine ernsthafte Initiative für ein echtes Bündnis ergriffen hatte.

Lafontaine führte im Grunde nur einen dauerhaft angelegten Wahlkampf. Es fehlt jeder Ansatz zur außerparlamentarischen Aktivierung und Organisierung des gesellschaftlichen Protests und zu seiner Transformation in aktiven gesellschaftlichen Widerstand. Nicht zuletzt zeigt auch Lafontaine als Person immer wieder, daß es ihm an Entschlossenheit fehlt, konsequent und hartnäckig für seine Positionen zu kämpfen. Sein jetziger Rückzug bestätigt, daß seine grundsatz „ego first“. Sein Verhältnis zu außerparlamentarischen Bewegungen bleibt parasitär. Natürlich wird ihm das von der Parteirechten niemals vorgeworfen. Diese füchtet nur um die Bündnisfähigkeit der PDL mit der SPD. Lafontaines Spiel mit den Erwartungen der Wählerbasis schürt ihre Ängste, vor realen Protestbewegungen gegen die bürgerliche Krisenverwaltungspolitik.

Un die Parteilinke insgesamt? Die Schwäche Lafontaines ist die Schwäche fast des gesamten linken Flügels der PDL. Auch dieser Flügel ist parlamentsfixiert. Ähnlich wie die Grünen der achtziger Jahre hat er sich von den staatlichen Institutionen aufsaugen lassen. Nichts zeigt das besser als ein die Praxis der dem linken Flügel zugerechneten nordrhein-westfälischen PDL lobender Artikel des Neuen Deutschland unmittelbar vor der Landtagswahl. Dort schrieb Marcus Meier:
„Ganz nüchtern festgestellt: Einzig die LINKE verfügt über einen stringenten finanzpolitischen Ansatz. Sie will die Einnahmen durch stärkere Besteuerung der Reichen und mehr Steuerprüfungen erhöhen und so die Handlungsfähigkeit von Land und Kommunen wiederherstellen. Sie formuliert Wegmarken für »ein soziales NRW«.
Auch im Parlament hat die LINKE durchaus gute Arbeit geleistet. Dank ihr wurden die Studiengebühren schneller abgeschafft. Ihr Druck hatte gewiss Einfluss auf die Etablierung eines Tariftreue- und Vergabegesetzes im öffentlichen Dienst, das Mindestlöhne bei öffentlichen Aufträgen sichert. Auf LINKE-Initiative hin wurden immerhin 200 neue Steuerfahnder eingestellt und die Abwahl von (Ober)-Bürgermeistern per Bürgerentscheid, genannt »Lex Sauerland«, ermöglicht. In der Innenpolitik führte die LINKE Rot-Grün ein ums andere mal vor. Die Liste ließe sich fortsetzen.“

Da fragt sich, wem die PDL in NRW beweisen wollte, was für tolle und fleißige Parlamentarier sie hat. Die bürgerlichen Medien haben ihre Parlamentsinitiativen weitgehendst totgeschwiegen. Ihre Presseerklärungen landeten ebenso in den Papierkörben der Zeitungs- und TV-Redaktionen wie die ihrer Fraktionskollegen anderswo. Der eine enorme Zahl von Mitgliedern bindende parlamentarische Aktivismus – für viel mehr ließ die zu dünne Personaldecke kaum Raum - machte die PDL außerparlamentarisch tendentiell unsichtbar und das, obwohl sie die mit Abstand mitgliederstärkste linke Organisation ist.

Wie belastbar sind Lafontaines Perspektiven?
Lafontaines Orientierung hat wie die aller linken Reformisten eine Achillesferse. Er benötigt Bündnispartner und strebt ebenso wie der rechte Flügel der PDL „Regierungsverantwortung“ in Form von Koalitionen an.
Aber die potentiellen sozialdemokratischen Bündnispartner stellen Bedingungen, denen er sich mit seiner Strategie nicht beugen kann. Er kann sich nicht sang- und klanglos den Anforderungen des Kapitals unterwerfen. Da hilft es, daß er an seine Mission glaubt, den Kapitalismus vor sich selbst retten zu können. Er scheint sich tatsächlich für den Krisenlöser des Kapitals zu halten. Sein Lösungsansatz, eine akzentuiert keynesianische Politik auch gegen Widerstände der Kapitalverbände durchzusetzen, setzt jedoch eine Konfliktstrategie mit der SPD voraus, um die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten spürbar zu verschieben. Das machte ihn zum Idol des linken Flügels der PDL - und zum Albtraum der Anpassler. Ihnen steht er mit seiner Politik auch dann im Weg, wenn er sich auf die bundespolitische Ebene beschränkt und ihnen die ostdeutschen Landesparlamente überläßt. Das ist der eigentliche Hintergrund dafür, daß der rechte Flügel der PDL sich weigerte, Lafontaine an der Parteispitze das Feld zu überlassen.
Möglicherweise haben die Apparatschiks des rechten Flügels auch das Vertrauen in Lafontaines Fähigkeiten verloren, Protestwähler an die PDL zu binden. Sein Rezept, die an die Piraten verlorenen Protestwähler zur PDL zu holen, ist nicht weniger hilflos als das parteiübergreifend betretene Lamento, daß die Piraten nicht einmal selbst wissen, was sie wollen: Lafontaine will die PDL jetzt virtuelle Schlachten im Netz schlagen lassen ( die PDL als „Internetpartei Deutschlands“). Es geht nicht um die Nutzung neuer Technologien. Er versteht offenbar nicht, daß die Wählerinnen und Wähler der Piraten die Nase voll haben von „top-down“-Parteien, daß sie demokratische und durchschaubare Strukturen wollen und keine Hinterzimmerkungeleien. Die PDL wird mit den auch von Lafontaine praktizierten Methoden der Umgehung von basisdemokratisch geführten Debatten und Entscheidungsprozessen durch Vor-Absprachen des Spitzenpersonals das an die Piraten verloren gegangene Protestpotential nicht ansprechen können.
Ob eine weibliche Doppelspitze mehr Erfolg verspricht? Das ist zu bezweifeln. Wie soll angesichts unterschiedlicher strategischer Optionen in der Partei eine gemeinsame Perspektive praktisch verwirklicht werden? Von Zugkraft nach außen speziell für Protestwähler gar nicht zu reden. Und die Besetzung von Vorstandsposten durch zwei Frauen heißt noch lange nicht, daß diese auch auf die Gefolgschaft beider Flügel der PDL zählen können. Um Protestwähler an die PDL zu binden müßten die Apparatschiks beider Flügel eine Revolution gegen sich selbst machen. Wer glaubt an eine solche Möglichkeit?

Ein Lichtblick in der Finsternis?
Was wird der linke Flügel der PDL jetzt, nach dem zumindest vorläufigen Rückzug Lafontaines, machen? Eine Person, die Lafontaine ersetzen könnte, hat sie nicht. Sie hat niemanden, der die heterogenen Bestandteile der Parteilinken hinter einem politischen Projekt sammeln könnte. Schon gar nicht jemanden, der auch für Teile der Parteirechten akzeptabel wäre. Für die Linke insgesamt verdüstern sich die Perspektiven. Sie muß auf die Selbstschwächung ihrer politischen Konkurrenten hoffen, um als Wahlpartei auf Bundesebene zu überleben.
Bleibt die Hoffnung, daß wenigstens die kleinen Teile der Linken, die ihre Zukunft in der Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Bewegungen sehen, stärkeren Zulauf aus der PDL erhalten. Die Antikapitalistische Linke hat sehr zu Recht die fehlenden außerparlamentarischen Mobilisierungen der PDL in Nordrhein-Westfalen bemängelt. Aber das gilt nicht nur dort, sondern auch im Osten. Die Antikapitalistische Linke formuliert aber weitergehend einen konkreten Gedanken und schreibt in ihrer Wahlbilanz:
„Im Mittelpunkt des Landtagswahlprogramms der NRW-Linken stehen die Forderungen nach Mindestlöhnen von zehn Euro, einer Anhebung der Hartz-Sätze auf 500 Euro und die 30-Stunden-Arbeitswoche. Warum hat die Partei eigentlich niemals versucht, koordiniert um diese Forderungen 10-500-30 auf die Straße zu gehen, Unterschriften zu sammeln, Komitees zu bilden etc.? Wie sollen die Wähler uns als Partei und unseren Willen zur Gesellschaftveränderung ernstnehmen, wenn wir nicht einmal selbst aktiv für unsere Forderungen eintreten? Auch das radikalste Programm braucht Menschen, die es umsetzen.“
Das geht in dieselbe Richtung, die die Marxistische Initaitive in ihrem Positionspapier zum Aufbau einer neuen antikapitalistischen Organisation vorgeschlagen hat. Seinem Inhalt nach gibt es keinen Grund, eine solche Mobilisierungsperspektive auf Anhänger einer Partei, auf Wahlkämpfe und schon gar nicht auf einzelne Landtagswahlkämpfe zu beschränken. Es gibt auch keinen Grund, mit einer solchen Mobiliiserungskampagne zu warten, bis die Parteigremein der PDL sie beschließen.
Die Unterstützer der Gruppen, die den NAO-Prozeß bejahen, sollten diesen Vorschlag aufgreifen und aktiv an die Antikapitalistische Linke, die PDL insgesamt sowie an sonstige Kräfte, die sich den Klasseninteressen der Lohnabhängigen verbunden fühlen herantragen. Eine solche Kampagne wäre selbst im Falle eines Erfolges noch lange keine keine Revolution aber dennoch ein Schritt nach vorn für die Entwicklung des Klassenkampfs.
Dieter Elken, 23.05.2012

Mittwoch, 23. Mai 2012

No pasaran! FU-Leitung will Veranstaltung zu Fethulla-Gülen-Bewegung verhindern! Und sie wird doch stattfinden!

Liebe Genossinnen und Genossen,

für heute Abend ist eine Veranstaltung zur Fethullah-Gülen-Bewegung an der FU Berlin geplant. Dort sollen der kurdische Journalist Baki Gül und ich reden. Auf Intervention von Lobbyisten der Gülen-Bewegung, die ihren Guru durch die Veranstaltungsankündigung beleidigt sahen, hat die Uni-Leitung den Raum gekündigt. Die Veranstaltung wird dennoch in irgend einer Form stattfinden. Bitte kommt heute um 18 Uhr zur Freien Universität*Habelschwerdter Allee 45, Raum: KL 24 / 122 D.
Lassen wir nicht zu, dass eine Sekte, die erklärtermaßen den Koran über die Wissenschaft stellt, die Meinungsfreiheit an der Uni einschränkt!

Grüße
Nick

Türkische Nationalisten greifen Meinungsfreiheit an der FU-Berlin an

Die türkisch-nationalistische Gülen Bewegung sorgte für eine
Raumkündigung für eine vom Ausländerreferat des Asta FU dem kurdischen Studierendenverband YXK und antifaschistischer Gruppen unterstützten kritischen Veranstaltung über die Gülen Organisation und ihre Rolle in der türkischen Politik.

Die millionenstarke Hizmet-Bewegung des in den USA lebenden türkischen Imam Fethullah Gülen mit ihrem Wirtschafts- und Medienimperium stellt sich in der Öffentlichkeit als unpolitische und tolerante Gemeinschaft dar. Ihr Verständnis von Meinungsfreiheit hat die extrem nationalistische Gülen Bewegung erneut unter Beweis gestellt, indem sie administrativ gegen eine Diskussionsveranstaltung vorgeht. So groß
scheint ihre Sorge zu sein, dass ihre antiemzapitaorische und autoritäre Ideologie und Praxis ans Tageslicht kommt. In der Türkei kontrollieren Gülen-Anhänger Schlüsselpositionen in der Regierungspartei AKP und dem Staatsapparat. Laizistische und prokurdische Kritiker werden durch Massenverhaftungen und fingierte Terrorismusanklagen ausgeschaltet. In den Bildungseinrichtungen der Gülen-Bewegung in der Türkei sollen Kurden als türkische Muslime assimiliert werden. Gegen diejenigen, die sich dieser Assimilierung widersetzen, rief der radikale türkische Nationalist Gülen vergangenen Oktober in einer Fatwa zur Vernichtung "an den Wurzeln" auf - und die türkische Armee setzte Chemiewaffen gegen kurdische Freiheitskämpfer ein.
Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass sich nach Angaben der
Unileitung ebenfalls ProfessorInnen, die namentlich nicht genannt werden wollten, für die Bewegung um den Kriegshetzer und Aufrufer zum Massenmord Fethullah Gülen und gegen eine kritische Auseinandersetzung einsetzen. Wir können nur hoffen, dass sie dies aus Unkenntnis und Naivität tun, denn schon eine Oberflächliche Betrachtung dieser Bewegung
reicht aus zu begreifen wofür diese Bewegung eigentlich steht.
Wir werden uns diese Veranstaltung nicht verbieten lassen -- Kommt zur Veranstaltung -- Verteidigt die Meinungsfreiheit an der Universität!

Donnerstag, 10. Mai 2012

Vorhuterei – Aufruf zur Überwindung des Trottel-Trotzkismus

lies hier:
http://bronsteyn.wordpress.com/2012/05/10/vorhuterei-aufruf-zur-uberwindung-des-trottel-trotzkismus/
oder hier:
http://www.nao-prozess.de/blog/vorhuterei-aufruf-zur-uberwindung-des-trottel-trotzkismus/

Montag, 7. Mai 2012

Die Wärmestrom-Seite Lenins

hier:
http://www.nao-prozess.de/blog/die-warmestrom-seite-lenins/
oder hier:
http://bronsteyn.wordpress.com/2012/05/07/die-warmestrom-seite-lenins/

Freitag, 4. Mai 2012

Projekt “Wärmestrom” – Zur Kritik der Waffen der Kritik

lesenswert:
http://systemcrash.wordpress.com/2012/05/04/projekt-warmestrom-zur-kritik-der-waffen-der-kritik/

Donnerstag, 3. Mai 2012

Kampf um Selbstbestimmung

aus:
junge Welt 04.05.2012 / Thema / Seite 10

Hintergrund. Syriens Kurden kommt eine Schlüsselrolle für die Zukunft des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes zu

Von Nick Brauns

Hier ist Kurdistan« – unter dieser Parole demonstrierten in den letzten Wochen Zehntausende Kurden in Syrien für die Anerkennung ihrer Rechte. Ihr Protest richtete sich nicht nur gegen das Baath-Regime in Damaskus, sondern auch gegen den vom Westen als einzige Opposition anerkannten »Syrischen Nationalrat« (SNR). Dessen Vorsitzender Burhan Ghaliun hatte zuvor behauptet, es gäbe gar kein »Syrisch-Kurdistan«.1 Die für den 7. Mai angesetzten Wahlen zum Syrischen Nationalrat wird die kurdische Opposition wie schon das Verfassungsreferendum im Februar boykottieren. Denn auch die neue Verfassung schließt auf regionaler oder konfessioneller Grundlage basierende Parteien von einer Wahlteilnahme aus. Für die weitere Entwicklung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes kommt den zwischen zwei und vier Millionen syrischen Kurden als zweitgrößter Ethnie unter den 20 Millionen Einwohnern eine Schlüsselrolle zu.

Die meisten Kurden leben in Nordsyrien in einem Streifen von der Mittelmeerküste entlang der Grenze zur Türkei bis hinunter zur syrisch-irakischen Grenze. Ihre Hauptsiedlungsgebiete sind dabei auf die Enklaven ’Afrin, ’Ain al-’Arab (Kobani) sowie die Dschazira in der Provinz Al-Hasaka verteilt. Größte Stadt in der Region ist mit rund 400000 zu zwei Dritteln kurdischen Einwohnern das nur durch die Grenzbefestigungen von Nusaybin auf türkischer Seite getrennte Al-Qamischli. Auch in der Hauptstadt Damaskus leben mindestens 100000 Kurden. Die fruchtbaren kurdischen Gebiete bilden die Kornkammer Syriens. Zudem finden sich hier die einzigen Erdölquellen des Landes.
Geschichte des Konflikts
Die heutige Situation in Syrien hat ihre Wurzeln in der imperialistischen Politik während des Ersten Weltkrieges. Die auf das Sykes-Picot-Abkommen zur Aufteilung der Einflußsphären im Nahen Osten zwischen Frankreich und Großbritannien im Jahr 1916 zurückgehende syrisch-türkische Grenze wurde in den 20er Jahren von der damaligen französischen Mandatsmacht mitten durch die kurdischen Siedlungsgebiete gezogen. Aufgrund der in den 20er Jahren einsetzenden Zwangstürkisierung flohen eine Reihe kurdischer Stämme aus der Türkei in das französische Mandatsgebiet, wo die Militärverwaltung sie in den neugegründeten Städten Al-Hasaka und Al-Qamischli ansiedelte. Beeinflußt von der kurdischen Nationalvereinigung Xoybun (»Selbst-Sein«) bildete sich in den 30er Jahren eine Autonomiebewegung in der Dschazira. 1946 wurde Syrien nach dem Rückzug der französischen Truppen unabhängig, ohne daß Autonomierechte fixiert worden waren. 1957 gründeten kurdische Nationalisten und ehemalige Mitglieder der Kommunistischen Partei Syriens die sich anfänglich als antiimperialistisch definierende und für ein vereinigtes Kurdistan eintretende Kurdische Demokratische Partei Syriens (KDPS). Angesichts des vom Mollah Mustafa Barzani im benachbarten Irak angeführten kurdischen Partisanenkampfes befürchteten syrische Politiker ein Übergreifen »separatistischer Bestrebungen«. Nach einer außerordentlichen Volkszählung im Oktober 1962 wurden rund 120000 angeblich aus Nachbarländern eingewanderte Kurden per Dekret des Staatspräsidenten ausgebürgert. Sie und ihre Nachfahren – geschätzt bis zu 225000 Menschen – hatten als »Staatenlose« keine Möglichkeit, Anstellung im öffentlichen Dienst zu bekommen, ihnen wurden subventionierte Grundnahrungsmittel vorenthalten, sie durften keine Immobilien oder Produktionsmittel besitzen und nicht ins Ausland reisen. 1963 wurde die KDPS mit der Begründung verboten, eine Partei feudaler Großgrundbesitzer zu sein. In einer Denkschrift warnte der baathistische Sicherheitschef von Al-Hasaka, General Muhammad Talab Hilal, mit antisemitischem Ton: »Judastan und Kurdistan sind von derselben Art«. Der General forderte die Vertreibung der Kurden ins Landesinnere durch gezielte wirtschaftliche Vernachlässigung der kurdischen Landesteile bei gleichzeitiger Ansiedlung arabischer Siedler. Entsprechend dieser Vorgaben begann die Regierung ab 1973 mit der Bildung eines »Arabischen Gürtels« durch die Ansiedlung von 25000 arabischen Familien entlang der Grenze zur Türkei. Unter Hafiz Al-Assad (Präsident von 1971 bis 2000) erhielt der arabische Nationalismus in der »Syrisch-Arabischen Republik« Verfassungsrang, der öffentliche Gebrauch der kurdischen Sprache wurden durch Dekrete kriminalisiert und noch 1998 über 200 Dörfer umbenannt. Doch gleichzeitig unterstütze Assad aus außenpolitischen Erwägungen kurdische Parteien in der Türkei und dem Irak. Das Baath-Regime hielt ab 1980 seine schützende Hand über die gegen den türkischen Staat kämpfende Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Deren Vorsitzender Abdullah Öcalan lebte in Damaskus, und seine Partei unterhielt Ausbildungslager in der syrisch kontrollierten Bekaa-Ebene im Libanon. Die PKK diente als Trumpfkarte gegenüber der Türkei, mit der Syrien territoriale Streitigkeiten um die Mittelmeerprovinz Hatay sowie die durch türkische Staudämme an Euphrat und Tigris bedrohte Wasserversorgung hat.

Um nationale Bestrebungen der syrischen Kurden gegen die Türkei zu kanalisieren, wurden diese vom Baath-Regime regelrecht gedrängt, sich der PKK anzuschließen, so daß diese laut türkischen Geheimdienstanalysen in den 90er Jahren ein Viertel der Guerillakämpfer stellten. Doch nachdem Ankara im Oktober 1998 offen mit Krieg drohte, Panzer an der Grenze und NATO-Kriegsschiffe im Mittelmeer auffuhren, konnte Damaskus dem Druck nicht länger standhalten. Öcalan mußte sein langjähriges Gastland verlassen, seine Flucht endete im Februar 1999 mit der Verschleppung durch den türkischen Geheimdienst aus Kenia auf die Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer. Im Adana-Abkommen erkannte Syrien die PKK nun als terroristische Organisation an und verpflichtete sich, deren Tätigkeit auf syrischem Territorium zu unterbinden. In der Folge wurden ihre Mitglieder an die Türkei ausgeliefert. Anhänger der 2003 gegründeten syrisch-kurdischen Schwesterorganisation der PKK, der Partei der Demokratischen Union (PYD), wurden mit besonderer Härte verfolgt. Andere wie die sozialdemokratisch orientierte kurdische Einheitspartei Yekiti füllten die so entstandene Lücke und klagten zunehmend lauter nationale Rechte in Syrien ein. Ermutigt wurden die syrischen Kurden durch die Existenz der unter US-Schutz im Nordirak gebildeten kurdischen Autonomieregion nach dem Sturz von Saddam Hussein. Ein durch Übergriffe arabisch-nationalistischer Fußballfans der Mannschaft Al-Fatwa auf kurdische Al-Dschihad-Fans in Al-Qamischli provozierter Aufstand im März 2004, bei dem über 30 Kurden von Sicherheitskräften getötet wurden, ging als »kurdisches Erwachen« in die Geschichte ein. In den folgenden Jahren wurden mehrfach kurdische Proteste von Sicherheitskräften attackiert und Aktivisten verschleppt, gefoltert und ermordet.
Regime macht Zugeständnisse
Als im Zuge des »arabischen Frühlings« 2012 die Aufstandsbewegung auch auf Syrien übergriff, blieb es ausgerechnet in den kurdischen Landesteilen, die jahrelang die Speerspitze der Proteste gegen das Baath-Regime gebildet hatten, vergleichsweise ruhig. Die Regierung hatte sich dieses anfängliche Stillhalten mit Zugeständnissen erkauft. So war am 26. März 2011 das der weiteren Arabisierung durch die Enteignung kurdischer Grundbesitzer im Grenzgebiet dienende »Dekret 49« aus dem Jahre 2008 zurückgenommen worden. Am 7. April 2011 verfügte Präsident Baschar Al-Assad die Einbürgerung von rund 200000 in Folge der Volkszählung von 1962 ausgebürgerten Kurden und ihren Nachfahren, wobei allerdings Zehntausende nichtregistrierte Staatenlose weiterhin nicht berücksichtigt wurden. Während Sicherheitskräfte gegen Oppositionskräfte in anderen Landesteilen mit Härte vorgingen, hielten sie sich in den kurdischen Landesteilen nun zurück. Doch auch die kurdischen Parteien zögerten, sich mit der von religiösen Kräften dominierten arabischen Opposition zu vereinigen. Sie befürchteten, unter einem stärker islamisch orientierten Regime nur vom Regen in die Traufe zu geraten.

Die Mehrzahl der im Augenblick 17 kurdischen Parteien hat ihre Wurzeln in der 1957 gegründeten Kurdischen Demokratischen Partei Syriens, und sie unterscheiden sich programmatisch kaum voneinander. Schon aufgrund der Geographie Westkurdistans mit voneinander getrennten Enklaven und fehlender gebirgiger Rückzugsgebiete tritt keine der Parteien für einen Partisanenkampf wie in anderen Teilen Kurdistans ein. Auch Unabhängigkeit oder den Zusammenschluß mit den kurdischen Gebieten der Nachbarländer stehen nicht auf der Agenda. Statt dessen fordern nahezu alle von ihnen eine Demokratisierung Syriens, verfassungsrechtliche Anerkennung des kurdischen Volkes als zweiter Nation und Selbstverwaltungsrechte für die kurdisch besiedelten Landesteile bei Wahrung der territorialen Integrität Syriens. Differenzen bestehen vor allem im Verhältnis zur arabischen Opposition und damit zur Frage einer ausländischen Intervention.

Fast alle syrisch-kurdischen Parteien mit Ausnahme der PKK-Schwester PYD und der im Syrischen Nationalrat vertretenen Kurdischen Zukunftsbewegung gehören der Ende Oktober 2011 gebildeten Kurdischen Patriotischen Konferenz (KPK) an, der außerdem Jugend- und Koordinationsgruppen sowie unabhängige Persönlichkeiten beigetreten sind. Ziel der KPK, deren Delegierte sich anfangs noch gegen die Forderung nach einem Sturz Assads ausgesprochen hatten, ist es, gegenüber der arabischen Opposition mit einer Stimme zu verhandeln. Nur wenige Parteien wie die Yekiti und die Azadi haben innerhalb Syriens tatsächlich Einfluß. Streitigkeiten ihrer Führer machen das Bündnis schwerfällig, Basisarbeit in der Bevölkerung findet aufgrund geringer Personaldichte kaum statt. Die Jugendlichen, die die Masse der Demonstranten bilden, fühlen sich nicht ausreichend unterstützt. »Die Kurdische Patriotische Konferenz ist nicht mehr als ein Name«, klagt ein Jugendaktivist aus Al-Qamischli über fehlende Arbeit vor Ort.2 Schirmherr und Finanzier der KPK ist der Präsident der kurdischen Regionalregierung im Nordirak, Massoud Barzani. Als Generalsekretär der KPK fungiert der Vorsitzende des syrischen Ablegers von Barzanis Kurdischer Demokratischer Partei (KDP), Abdul Hakim Bashar. Auch ein militärisches Ausbildungsprogramm für syrische Kurden soll im Nordirak angelaufen sein. Sein Einfluß auf Teile der syrischen Kurden macht den lange als »Terrorunterstützer« geschmähten kurdischen Präsidenten für die türkische Regierung so interessant, daß sie Barzani am 20. April mit allen staatsmännischen Ehren in Ankara empfing.
Demokratischer Sozialismus
Mit Besorgnis registriert Ankara das rapide Anwachsen der PYD im Grenzgebiet zur Türkei. Hatte diese anfangs nur in ’Afrin Masseneinfluß, so stellt sie inzwischen auch in der Dschazira und Kobani eine maßgebliche Kraft dar, wie selbst ihre Kritiker bestätigen. »Die PYD wird immer beliebter, das müssen wir anerkennen, auch, wenn wir politisch unterschiedlicher Meinung sind und die PYD nicht unterstützen«, bestätigt ein 31jähriger Aktivist der »Bewegung der Jugend in Westen« aus Al-Qamischli, der sich Azad Muhiyuddin nennt, im Interview mit der Menschenrechtsorganisation Kurdwatch. »Die PYD hat aktive Komitees gegründet, die überall präsent sind. Ihre Mitglieder schlichten bei Auseinandersetzungen. Sie nehmen Diebe fest. Sie kümmern sich um Kranke oder Verletzte.«3

Lange lautete ein Vorwurf an die PYD, daß diese lediglich eine auf die Türkei bezogene Politik mache. »Sie zeigen, daß sie eine kurdische Partei sind, die sich für die Interessen der Bevölkerung einsetzt«, meint dagegen Azad. Anstelle der Losung des Regimesturzes tritt die PYD für einen Systemwechsel ein. »Unser Ziel ist die Bildung einer neuen kurdischen Gesellschaft, die Bildung eines freien Menschen, eines Menschen mit freiem Willen und freiem Denken«4, erklärt der Parteivorsitzende Salih Muslim Muhammad. In ihrem Parteiprogramm bekennt sich die auch in der Organisierung von Frauen hervorstechende PYD zum »Demokratischen Sozialismus«. Ihr Leitfaden für die Schaffung einer »demokratischen Selbstverwaltung« durch Rätestrukturen ist die Philosophie Abdullah Öcalans. Rund eine Viertelmillion Menschen beteiligten sich nach PYD-Angaben Ende letzten Jahres an den Wahlen zu einem »Volksrat von Westkurdistan«. In seinem Programm bekennt sich dieser Rat zur »Unterstützung der friedlichen und demokratischen Volksbewegung, die einen radikalen Wandel der Struktur und der Institutionen des politischen Systems anstrebt«, und erklärt zugleich die Verhinderung und Zurückweisung »ausländischer Einmischung und Interventionsversuche« zum Ziel.

Offenbar hat die PYD inzwischen ihre Reihen durch über 1000 militärisch ausgebildete PKK-Mitglieder aus nordirakischen Guerillacamps verstärkt, die nun Checkpoints auf dem Land errichtet haben und zum Schutz der Bevölkerung bewaffnet in Guerillakleidung durch die Städte patrouillieren. Während die PYD die Bevölkerung auf die Übernahme der Verantwortung in den kurdischen Landesteilen im Falle eines Sturzes der Baath-Herrschaft vorbereitet, sehen türkische und deutsche Medien die PKK »im Dienste des Diktators« (Tagesschau) und warnen vor einer Ablösung der »Baath-Diktatur durch eine PKK-Diktatur« (Jungle World). Tatsächlich waren noch im letzten Jahr auf manchen Demonstrationen der PYD neben Bildern von Öcalan auch solche des syrischen Präsidenten Assad zu sehen. Und der Fernsehsender Al-Dschasira präsentierte kürzlich ein Papier der Baath-Partei, in dem vorgeschlagen wurde, regierungskritische Proteste in den kurdisch bewohnten Landesteilen nicht mithilfe regulärer Sicherheitskräfte sondern in Kooperation mit der PKK zu unterdrücken. Nach Meldungen der Menschenrechtsorganisation Kurdwatch soll die PYD vor allem in ihrer Hochburg ’Afrin regimekritische Demonstrationen und politische Gegner bedroht, entführt und sogar getötet haben. Einige Kritiker sehen die PYD so hinter der Ermordung des Vorsitzenden der Kurdischen Zukunftspartei, Meschaal Tammo, im Oktober letzten Jahres, während PYD-Politiker den türkischen Geheimdienst beschuldigen.

Unter Anführung der von Sicherheitskräften getöteten oder inhaftierten PYD-Aktivisten weist unterdessen der – nach Öcalan – oberste PKK-Führer Murat Karayilan Anschuldigen einer Kooperation seiner Bewegung mit dem Baath-Regime als türkische Lügenkampagne zurück. So versuche Ankara, mehr Unterstützung der USA gegen die kurdische Befreiungsbewegung zu erhalten und eine Intervention in Syrien vorzubereiten. Zwischen Assad und den Kurden herrsche allerdings seit Beginn des Aufruhrs eine »stillschweigende Übereinkunft«, wonach der Staat die Kurden nicht zu einer besonderen Zielscheibe erkläre.5 Die PYD ist ihrerseits bemüht, Provokationen durch unerfahrene junge Demonstranten etwa durch bewaffnete Angriffe auf Sicherheitskräfte zu unterbinden. »Eine offene Konfrontation mit der Diktatur wäre ein Desaster«, erklärte der PYD-Vorsitzende Muhammad. »Unser Volk würde ein Angriffsziel nicht nur für die Armee, sondern auch für die Milizen arabischer Siedler in unseren Provinzen werden.«6 Unbedingt müsse ein Umschlagen der Proteste in einen ethnischen Konflikt vermieden werden. Mitte Februar einigten sich Führungsmitglieder der PYD und der KPK darauf, Konflikte untereinander ausschließlich friedlich lösen zu wollen. Auch zwischen den Sicherheitskomitees der Jugendbewegung und der PYD in den Stadtvierteln gibt es inzwischen eine Kooperation. Demonstrationen von PYD, KPK und Jugendgruppen verlaufen allerdings weiterhin getrennt.

Die PYD gehört dem aus sozialistischen, laizistischen und arabisch-nationalistischen Parteien gebildeten Oppositionsbündnis Nationaler Zusammenschluß der Kräfte des Demokratischen Wandels (NZKDW) an, dessen Grundprinzipien in einem dreifachen »Nein« zu konfessioneller Spaltung, ausländischer Einmischung und Gewalt im Land bestehen. Auf einer außerordentlichen Konferenz am 14. April in Paris versicherte dieses Oppositionsbündnis auf Druck der PYD, sich internationalen Konventionen entsprechend und im Rahmen der nationalen Einheit Syriens für eine verfassungsrechtliche Anerkennung der Rechte des kurdischen Volkes sowie eine demokratische Lösung der kurdischen Frage einzusetzen.

Dagegen ist eine von der Türkei und den USA über Vermittlung Barzanis versuchte Einigung der Kurdischen Patriotischen Konferenz mit der prowestlichen Opposition bislang nicht zustande gekommen. Zwar müsse das »Recht auf kurdischsprachige Erziehung und die Entwicklung der kurdischen Kultur und Literatur als zweiter Kultur in Syrien« gewährt werden. Doch Forderungen nach einem föderalistischen Modell würden als Wunsch nach Abspaltung interpretiert, hatte der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates Ghaliun diesbezügliche Bestrebungen zurückgewiesen.7 Vertreter der PYD vermuten ein antikurdisches Abkommen zwischen den im Nationalrat dominierenden Moslembrüdern und der islamisch-konservativen AKP-Regierung in Ankara. »Die türkische Regierung unterstützt die bewaffnete Opposition, benutzt die Moslembrüder als Schutzschild und möchte so die Regierung in Syrien übernehmen, um so die Kurden ohne Rechte zu lassen«8, faßt der Fernsehjournalist Tariq Hamo zusammen.
Gegen äußere Einmischung
Die regierungsnahe türkische Tageszeitung Today’s Zaman meldete am 27. April unter Berufung auf »örtliche Quellen« Auseinandersetzungen zwischen der von türkischem Territorium aus operierenden und von den Golfmonarchien finanzierten Freien Syrischen Armee und PYD-Milizen. Unterdessen wird in der Türkei über die Errichtung einer Pufferzone entlang der syrischen Grenze debattiert. Als Rechtfertigung für einen Einmarsch wird neben »humanitären« Gründen der Bruch des gegen die PKK-gerichteten Adana-Paktes durch Syrien angeführt.

Die Arbeiterpartei Kurdistans lehne zwar ausländische Interventionen aus Prinzip ab, denn »wir befürworten die Revolutionen, die durch die Eigendynamik der Völker zustande kommen«, erklärte PKK-Führungsfunktionär Karayilan bezüglich solcher Drohungen. Doch werde die PKK »im Streit zwischen zwei kolonialistischen Staaten keine Partei ergreifen«. Sollte die türkische Armee allerdings in die kurdischen Landesteile einmarschieren, »wird das gesamte Kurdistan zum Kriegsgebiet erklärt«, drohte Karayilan eine Ausweitung des bewaffneten Kampfes der PKK in der Türkei an. Eine Lösung des »kurdischen Knotens« bleibt damit eine zentrale Voraussetzung für eine eigenständige, friedliche und demokratische Entwicklung nicht nur Syriens, sondern des ganzen Nahen Ostens.


Anmerkungen

1 Interview mit der irakisch-kurdischen Zeitschrift Rudaw, 16.4.2012

2 Interview mit Azad Muhiyuddin auf www.Kurdwatch.de, 21.März 2012

3 Ebda.

4 Interview mit Salih Muslim Muhammad auf www.Kurdwatch.de, 8. November 2011

5 Interview mit Murat Karayilan, Firatnews Agency 29. März 2012

6 kurdistantribune.com/2011/pyd-yes-democratic-change-no-foreign-interference/

7 Rudaw, 16.4.2012

8 Yeni Özgür Politika, 28.4.2015

9 Firatnews Agency 29. März 2012

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