Wir sind mehr wert – Nein zu diesem Abschluss ver.di braucht radikalen Kurswechsel
Stellungnahme des Netzwerkes für eine kämpferische und demokratische Ver.di
zum Tarifergebnis im öffentlichen Dienst
Das Tarifergebnis für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen vom 31. März 2012 ist kein Ergebnis „mit viel Licht, aber auch Schatten”, wie Frank Bsirske uns weismachen möchte, sondern ein Ausverkauf auf ganzer Linie: Keines der angestrebten Ziele wurde erreicht! Schlimmer noch: Ohne Not wurde ein tariflich erkämpfter Urlaubstag geopfert.
Noch in den Tarifverhandlungen wurde von der ver.di-Spitze verbreitet, dass es dies Mal anders laufen werde. Keine Schlichtung, Aufholen der Lohnverluste der letzten Jahre, Verbesserungen für Auszubildende und Geringverdiener. Das drückte die Forderung aus: 6,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro, bei 12 Monaten Laufzeit. 100 Euro für die Auszubildenden mit anschließend unbefristeter Übernahme.
1. Laufzeit
Es wurde klar festgehalten, dass diese 12 Monate betragen sollte. Jetzt wurde die Laufzeit auf 24 Monate verlängert und dafür benutzt durch Aufsummierung von mickrigen Prozenten den Abschluss auf 6,5% hochzurechnen. Zum vierten Mal wurde die Chance verspielt mit den KollegInnen der Länder gemeinsam in die Tarifauseinandersetzung zu gehen.
2. Prozentzahl
6,5 Prozent bedeutet nicht, im ersten Jahr 3,73 Prozent und im zweiten Jahr 2,216 Prozent. Zwar liegt dieses Ergebnis im ersten Jahr über der Inflationsrate von 2011, gleicht aber bei weitem nicht den Reallohnverlust der letzten Jahre aus. Erinnert sei nur an die Splittung aus dem Jahr 2011 mit 0,6 Prozent und 0,5 Prozent, das auf`s Jahr 0,8 Prozent betrug (und nicht 1,1 Prozent).
2,216 Prozent für das zweite Jahr bedeutet wieder Reallohnverlust, und es ist noch nicht abzusehen, wie die Entwicklung 2012/13 sein wird – sie verheißt jedoch nichts gutes. Die steigenden Benzinpreise verheißen jedenfalls nichts gutes.
Das Aufsummieren bringt ebenso rein gar nichts: Dieser Logik folgend hätte auch ein Tarifabschluss von 15,75 Prozent, aufgeteilt in verschiedene Abstufungen über 60 Monate ausgehandelt und als Erfolg verkauft werden können. Ebenso ist völlig umstritten, was für eine Lohnerhöhung jetzt real bei den KollegInnen ankommen wird. Verschiedene Berechnungsmethoden kursieren. Ein Grund mehr, warum sich das Netzwerk für klare Festgelderhöhungen einsetzt. Die sind für jeden einfach nachprüfbar.
3. Soziale Komponente
Zentraler Bezugspunkt der aktuellen Tarifrunde waren die mindestens 200 Euro. Das hätte für die unteren Einkommensgruppen angesichts der explodierenden Lebenshaltungskosten den dringenden Nachholeffekt bewirkt und den immer größer werdenden Abstand zu den oberen Lohngruppen verringert. Doch hier wurden die KollegInnen mit geringem Einkommen gänzlich im Stich gelassen. Für 130.000 KollegInnen heißt es weiterhin: Aufstocken mit Hartz IV. Allein die „kategorische Weigerung der Arbeitgeber“ in diesem Punkt hätte für die ver.di- Verhandlungsführer ausreichend sein müssen, die Gespräche für gescheitert zu erklären. Es wurde ja nicht einmal der Versuch unternommen, soziale Komponente und prozentualer Zuwachs zu kombinieren.
Laut Tabelle TVÖD VKA ab 1. März 2012 macht die Lohnerhöhung für die Gruppen 1 – 9/3 +10/1 zwischen 50,71 und 96,52 Euro aus, erst darüber beträgt das Lohnplus zwischen 100,58 und 192,81. Selbst bei der 2-jährigen Laufzeit haben die Lohngruppen bis 9/4, bzw.10/3 die 200 Euro-Marke nicht erreicht ( Diff. Tabelle-Summe TsöD wp 30. März 2012).
4 a. Auszubildende Gehalt
Bitter muss es für die jungen KollegInnen sein, die mit viel Elan, Phantasie und Kampfeswillen in die Verhandlungen gezogen sind und nun für die ersten 17 Monate mit 50 Euro monatlich abgespeist werden. Hier wird, wie allgemeingesellschaftlich längst Realität, bei und an der (Aus-) Bildung gespart. Obwohl sie mit den gleichen Lebenshaltungskosten konfrontiert sind, wird ihnen die zweite Tariferhöhungsstufe wegkompensiert, sie haben also 5 Nullmonate – von März bis Juli 2013. Ab der dritten Tariferhöhungsstufe im August 2013 gibt es für 7 Monate noch 40 Euro hinzu. Rechnet man das nun auf das volle Tarifjahr um, so bleiben im Durchschnitt lediglich 24 Euro monatlich.
4 b. Auszubildende Übernahme
Was ver.di als „unbefristete Übernahme“ bejubelt, relativieren sie selbst im Nachsatz. Denn die folgenden Zusätze und Einschränkungen bedeuten, dass die Übernahmeregelung völlig unverbindlich ist.
5. Urlaubsregelung
Als Skandal muss das Vorgehen in der Frage des Urlaubsanspruchs gesehen werden. Der Urlaub war in einer Gehaltsrunde nicht Thema der Verhandlungen. Erst Tage zuvor wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die Aufsplittung des Urlaubsanspruchs im Manteltarifvertrag ( 26, 29, 30 Tage) nach Alter nicht zulässig sei, sondern das alle Beschäftigten, egal welchen Alters Anspruch auf 30 Tage haben.
In seinem Flugblatt vom 26. März 2012 hat das Stuttgarter Netzwerk schon darauf hingewiesen, dass Urlaub nicht als Kompensation genommen werden dürfe, zu Mal es sowieso nur eine Gehaltsrunde sei. Doch dazu ist es gekommen. Nun sollen die Auszubildenden 27 Tage Urlaubsanspruch haben, die Beschäftigten bis 55 (!) Jahre 29 Tage und danach 30 Tage.
Die Begründung dafür lautet: „Niederschriftserklärung zu § 26 Abs. 1: Die Tarifvertragsparteien sind bei der Neuregelung übereinstimmend (sic !) davon ausgegangen, dass für Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ein entsprechend höherer Erholungsbedarf besteht. Deshalb ist für diese Beschäftigten ein zusätzlicher Urlaubstag gerechtfertigt.“
Es stellt sich doch unweigerlich die Frage, warum das bisher schon ab 40 war, und jetzt falsch gewesen ist.
Es verhöhnt geradezu alle Beschäftigten, die seit Jahren mit enorm gesteigerter Arbeitsverdichtung konfrontiert sind, bei gleichzeitiger Wochenarbeitszeiterhöhung auf 39 bis 41 Stunden. Es entwürdigt die Beschäftigten, die sich im Pflegebereich und Bereichen mit schwerer körperlicher Arbeit ihren Rücken kaputt heben. Es lässt gänzlich außer Acht, dass es in den letzten Jahren einen dramatischen Anstieg psychischer Erkrankungen, wie das Burn-out-Syndrom gab und gibt.
Behauptet nun die Verhandlungsführung in ihrem „Extra – 5“, man kann das auch, entsprechend der nummerierten Auflistung als minus 5 lesen: „Die Arbeitgeber haben diese Frage in der Tarifrunde auf die Tagesordnung gesetzt und ohne Neuregelung ein Tarifergebnis ausgeschlossen. Sie drohten sogar mit Kündigung der Urlaubsvorschriften.“ So fragen wir uns, warum ver.di eingeknickt ist und nicht Streik auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Stimmt mit Nein bei der Mitgliederbefragung
Wie zu erfahren war (Junge Welt 2. April 2012), hat die Tarifkommission den ausgehandelten Kompromiss zunächst abgelehnt. Darauf hin hat Bsirske einzelne Delegationen in separaten Gesprächen so lange bearbeitet, bis die zweite Abstimmung eine knappe Mehrheit für den Abschluss ergab.
Wir forderten in der Vergangenheit und fordern für die Zukunft: Keine geheimen und abgeschlossenen, sondern transparente und für die Mitglieder jeder Zeit nachverfolgbare Verhandlungen. Es darf nicht sein, dass man drei Tage nur Gerüchte hört und in Unwissenheit gehalten wird. Transparenz drückt sich in soweit aus, dass nach jedem Verhandlungsteilschritt informiert wird und dass vor einer Abstimmung die Möglichkeit der Rückmeldung der Mitlieder an die (einzelnen) Tarifdelegationen besteht. Im Zeitalter der elektronischen Kommunikation sollte das keine unüberwindbare Hürde sein.
Die Vorraussetzungen in dieser Tarifrunde waren günstig, zumal es die Perspektive gab mit den Kolleginnen von Telekom und Metall gemeinsam zu streiken. Mehr als 300.000 KollegInnen beteiligten sich an der zweiten Warnstreikwelle. In vielen Bereichen war die Beteiligung sehr groß, bis nahezu 100 Prozent. Darauf hätte man aufbauen können. Druckpotenzial war also mehr als vorhanden. In Ostdeutschland wäre es schwieriger gewesen, heißt es aus ver.di-Kreisen. Doch wie soll man denn eine Gewerkschaft aufbauen, wenn man nicht kämpft? In Berlin haben die KollegInnen bei Charite und CFM gezeigt, dass auch mit niedrigen Organisationsgrad erfolgreiche Kämpfe möglich sind, neue Mitglieder für die Gewerkschaft gewonnen werden können.
Aber von der ver.di-Spitze wurden die Warnstreiks nicht als Ausgangspunkt eigener Stärke begriffen, um darauf aufbauend die mehr als berechtigten Forderungen in einem Erzwingungsstreik durchzusetzen, sondern es wurde mal wieder ein Ausverkauf betrieben. Daher lehnen wir das vorläufige Verhandlungsergebnis ab und fordern alle KollegInnen auf, dies in der Mitgliederbefragung ebenfalls zu tun.
Die ver.di-Spitze droht nun mit einem Zurück auf Null, und damit dass die Arbeitgeber eine harte Linie fahren werden. Die Antwort kann nur sein, dass wir dann auch eine harte Linie fahren müssen. Mal sehen was passiert wenn nicht nur die Kitas geschlossen sind sondern auch am Frankfurter und anderen Flughäfen nichts mehr geht. Die Kampfbereitschaft ist da. Der Unmut über den Abschluss ist auch ein Beweis dafür. Mit Betriebsversammlungen und Diskussionen könnte rasch ein effektiver Erzwingungsstreik vorbereitet werden, der die Arbeitgeber in die Knie zwingen würde.
Radikalen Kurswechsel durchsetzen
Gerade aufgrund der sich verschärfenden Staatschulden- und kapitalistischen Krise brauchen wir dringender denn je kämpferische und demokratische Gewerkschaften. Wenn wir nicht die volle Kampfkraft der Gewerkschaften in die Waagschale werfen, werden Unternehmer und Regierungen ihre Politik der Umverteilung von unten nach oben radikal fortsetzen. Wir brauchen konsequent geführte Tarifkämpfe, Streiks in einzelnen Branchen, brachenübergreifende gemeinsame Streiks, Massen- und Generalstreiks.
ver.di braucht innergewerkschaftliche Opposition
Die Tarifrunde bei Bund und Kommunen hat gezeigt, dass der ver.di-Vorstand eher die Interessen der Arbeitgeber vertritt als die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder. Anstatt die Wahlen in NRW und die Bundestagswahl im nächsten Jahr als Vorteil für einen erfolgreichen Tarifkampf zu nutzen, nehmen Bsirske und Co. Rücksicht auf Regierungen und etablierte Parteien. Mit dem Tarifabschluss sorgen sie dafür, dass die nächsten Milliarden wieder bei den Banken landen und nicht bei den Beschäftigten. Oder anders ausgedrückt: Bsirske ist die Sanierung der Finanzen von Banken und Staat wichtiger als die Behebung der Finanzkrise der Erzieherinnen, Müllwerker, und KrankenpflegerInnen. Diese staatstragende Haltung der ver.di-Führung können wir uns nicht länger leisten. Wir müssen einen radikalen Kurswechsel von unten durchsetzen. Die Politik der Gewerkschaften muss von der Basis bestimmt werden und nicht von abgehobenen Apparatschiks. Wir brauchen Funktionäre, die die Interessen der Basis vertreten und nicht mehr verdienen als einen Durchschnittslohn. Die Mitglieder der Bundestarifkommission und alle anderen Funktionäre müssen jederzeit rechenschaftspflichtig und abwählbar sein. Um das zu erreichen, müssen wir eine schlagkräftige innergewerkschaftliche Opposition aufbauen. Wir fordern alle kämpferischen Kolleginnen und Kollegen, ver.di-Mitglieder und Nicht-Mitglieder auf, mit uns dafür zu kämpfen. Nehmt Kontakt mit uns auf. Lasst Euch in unseren Verteiler aufnehmen. Kommt zum nächsten bundesweiten Netzwerktreffen.
zum Tarifergebnis im öffentlichen Dienst
Das Tarifergebnis für die Beschäftigten bei Bund und Kommunen vom 31. März 2012 ist kein Ergebnis „mit viel Licht, aber auch Schatten”, wie Frank Bsirske uns weismachen möchte, sondern ein Ausverkauf auf ganzer Linie: Keines der angestrebten Ziele wurde erreicht! Schlimmer noch: Ohne Not wurde ein tariflich erkämpfter Urlaubstag geopfert.
Noch in den Tarifverhandlungen wurde von der ver.di-Spitze verbreitet, dass es dies Mal anders laufen werde. Keine Schlichtung, Aufholen der Lohnverluste der letzten Jahre, Verbesserungen für Auszubildende und Geringverdiener. Das drückte die Forderung aus: 6,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro, bei 12 Monaten Laufzeit. 100 Euro für die Auszubildenden mit anschließend unbefristeter Übernahme.
1. Laufzeit
Es wurde klar festgehalten, dass diese 12 Monate betragen sollte. Jetzt wurde die Laufzeit auf 24 Monate verlängert und dafür benutzt durch Aufsummierung von mickrigen Prozenten den Abschluss auf 6,5% hochzurechnen. Zum vierten Mal wurde die Chance verspielt mit den KollegInnen der Länder gemeinsam in die Tarifauseinandersetzung zu gehen.
2. Prozentzahl
6,5 Prozent bedeutet nicht, im ersten Jahr 3,73 Prozent und im zweiten Jahr 2,216 Prozent. Zwar liegt dieses Ergebnis im ersten Jahr über der Inflationsrate von 2011, gleicht aber bei weitem nicht den Reallohnverlust der letzten Jahre aus. Erinnert sei nur an die Splittung aus dem Jahr 2011 mit 0,6 Prozent und 0,5 Prozent, das auf`s Jahr 0,8 Prozent betrug (und nicht 1,1 Prozent).
2,216 Prozent für das zweite Jahr bedeutet wieder Reallohnverlust, und es ist noch nicht abzusehen, wie die Entwicklung 2012/13 sein wird – sie verheißt jedoch nichts gutes. Die steigenden Benzinpreise verheißen jedenfalls nichts gutes.
Das Aufsummieren bringt ebenso rein gar nichts: Dieser Logik folgend hätte auch ein Tarifabschluss von 15,75 Prozent, aufgeteilt in verschiedene Abstufungen über 60 Monate ausgehandelt und als Erfolg verkauft werden können. Ebenso ist völlig umstritten, was für eine Lohnerhöhung jetzt real bei den KollegInnen ankommen wird. Verschiedene Berechnungsmethoden kursieren. Ein Grund mehr, warum sich das Netzwerk für klare Festgelderhöhungen einsetzt. Die sind für jeden einfach nachprüfbar.
3. Soziale Komponente
Zentraler Bezugspunkt der aktuellen Tarifrunde waren die mindestens 200 Euro. Das hätte für die unteren Einkommensgruppen angesichts der explodierenden Lebenshaltungskosten den dringenden Nachholeffekt bewirkt und den immer größer werdenden Abstand zu den oberen Lohngruppen verringert. Doch hier wurden die KollegInnen mit geringem Einkommen gänzlich im Stich gelassen. Für 130.000 KollegInnen heißt es weiterhin: Aufstocken mit Hartz IV. Allein die „kategorische Weigerung der Arbeitgeber“ in diesem Punkt hätte für die ver.di- Verhandlungsführer ausreichend sein müssen, die Gespräche für gescheitert zu erklären. Es wurde ja nicht einmal der Versuch unternommen, soziale Komponente und prozentualer Zuwachs zu kombinieren.
Laut Tabelle TVÖD VKA ab 1. März 2012 macht die Lohnerhöhung für die Gruppen 1 – 9/3 +10/1 zwischen 50,71 und 96,52 Euro aus, erst darüber beträgt das Lohnplus zwischen 100,58 und 192,81. Selbst bei der 2-jährigen Laufzeit haben die Lohngruppen bis 9/4, bzw.10/3 die 200 Euro-Marke nicht erreicht ( Diff. Tabelle-Summe TsöD wp 30. März 2012).
4 a. Auszubildende Gehalt
Bitter muss es für die jungen KollegInnen sein, die mit viel Elan, Phantasie und Kampfeswillen in die Verhandlungen gezogen sind und nun für die ersten 17 Monate mit 50 Euro monatlich abgespeist werden. Hier wird, wie allgemeingesellschaftlich längst Realität, bei und an der (Aus-) Bildung gespart. Obwohl sie mit den gleichen Lebenshaltungskosten konfrontiert sind, wird ihnen die zweite Tariferhöhungsstufe wegkompensiert, sie haben also 5 Nullmonate – von März bis Juli 2013. Ab der dritten Tariferhöhungsstufe im August 2013 gibt es für 7 Monate noch 40 Euro hinzu. Rechnet man das nun auf das volle Tarifjahr um, so bleiben im Durchschnitt lediglich 24 Euro monatlich.
4 b. Auszubildende Übernahme
Was ver.di als „unbefristete Übernahme“ bejubelt, relativieren sie selbst im Nachsatz. Denn die folgenden Zusätze und Einschränkungen bedeuten, dass die Übernahmeregelung völlig unverbindlich ist.
5. Urlaubsregelung
Als Skandal muss das Vorgehen in der Frage des Urlaubsanspruchs gesehen werden. Der Urlaub war in einer Gehaltsrunde nicht Thema der Verhandlungen. Erst Tage zuvor wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die Aufsplittung des Urlaubsanspruchs im Manteltarifvertrag ( 26, 29, 30 Tage) nach Alter nicht zulässig sei, sondern das alle Beschäftigten, egal welchen Alters Anspruch auf 30 Tage haben.
In seinem Flugblatt vom 26. März 2012 hat das Stuttgarter Netzwerk schon darauf hingewiesen, dass Urlaub nicht als Kompensation genommen werden dürfe, zu Mal es sowieso nur eine Gehaltsrunde sei. Doch dazu ist es gekommen. Nun sollen die Auszubildenden 27 Tage Urlaubsanspruch haben, die Beschäftigten bis 55 (!) Jahre 29 Tage und danach 30 Tage.
Die Begründung dafür lautet: „Niederschriftserklärung zu § 26 Abs. 1: Die Tarifvertragsparteien sind bei der Neuregelung übereinstimmend (sic !) davon ausgegangen, dass für Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ein entsprechend höherer Erholungsbedarf besteht. Deshalb ist für diese Beschäftigten ein zusätzlicher Urlaubstag gerechtfertigt.“
Es stellt sich doch unweigerlich die Frage, warum das bisher schon ab 40 war, und jetzt falsch gewesen ist.
Es verhöhnt geradezu alle Beschäftigten, die seit Jahren mit enorm gesteigerter Arbeitsverdichtung konfrontiert sind, bei gleichzeitiger Wochenarbeitszeiterhöhung auf 39 bis 41 Stunden. Es entwürdigt die Beschäftigten, die sich im Pflegebereich und Bereichen mit schwerer körperlicher Arbeit ihren Rücken kaputt heben. Es lässt gänzlich außer Acht, dass es in den letzten Jahren einen dramatischen Anstieg psychischer Erkrankungen, wie das Burn-out-Syndrom gab und gibt.
Behauptet nun die Verhandlungsführung in ihrem „Extra – 5“, man kann das auch, entsprechend der nummerierten Auflistung als minus 5 lesen: „Die Arbeitgeber haben diese Frage in der Tarifrunde auf die Tagesordnung gesetzt und ohne Neuregelung ein Tarifergebnis ausgeschlossen. Sie drohten sogar mit Kündigung der Urlaubsvorschriften.“ So fragen wir uns, warum ver.di eingeknickt ist und nicht Streik auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Stimmt mit Nein bei der Mitgliederbefragung
Wie zu erfahren war (Junge Welt 2. April 2012), hat die Tarifkommission den ausgehandelten Kompromiss zunächst abgelehnt. Darauf hin hat Bsirske einzelne Delegationen in separaten Gesprächen so lange bearbeitet, bis die zweite Abstimmung eine knappe Mehrheit für den Abschluss ergab.
Wir forderten in der Vergangenheit und fordern für die Zukunft: Keine geheimen und abgeschlossenen, sondern transparente und für die Mitglieder jeder Zeit nachverfolgbare Verhandlungen. Es darf nicht sein, dass man drei Tage nur Gerüchte hört und in Unwissenheit gehalten wird. Transparenz drückt sich in soweit aus, dass nach jedem Verhandlungsteilschritt informiert wird und dass vor einer Abstimmung die Möglichkeit der Rückmeldung der Mitlieder an die (einzelnen) Tarifdelegationen besteht. Im Zeitalter der elektronischen Kommunikation sollte das keine unüberwindbare Hürde sein.
Die Vorraussetzungen in dieser Tarifrunde waren günstig, zumal es die Perspektive gab mit den Kolleginnen von Telekom und Metall gemeinsam zu streiken. Mehr als 300.000 KollegInnen beteiligten sich an der zweiten Warnstreikwelle. In vielen Bereichen war die Beteiligung sehr groß, bis nahezu 100 Prozent. Darauf hätte man aufbauen können. Druckpotenzial war also mehr als vorhanden. In Ostdeutschland wäre es schwieriger gewesen, heißt es aus ver.di-Kreisen. Doch wie soll man denn eine Gewerkschaft aufbauen, wenn man nicht kämpft? In Berlin haben die KollegInnen bei Charite und CFM gezeigt, dass auch mit niedrigen Organisationsgrad erfolgreiche Kämpfe möglich sind, neue Mitglieder für die Gewerkschaft gewonnen werden können.
Aber von der ver.di-Spitze wurden die Warnstreiks nicht als Ausgangspunkt eigener Stärke begriffen, um darauf aufbauend die mehr als berechtigten Forderungen in einem Erzwingungsstreik durchzusetzen, sondern es wurde mal wieder ein Ausverkauf betrieben. Daher lehnen wir das vorläufige Verhandlungsergebnis ab und fordern alle KollegInnen auf, dies in der Mitgliederbefragung ebenfalls zu tun.
Die ver.di-Spitze droht nun mit einem Zurück auf Null, und damit dass die Arbeitgeber eine harte Linie fahren werden. Die Antwort kann nur sein, dass wir dann auch eine harte Linie fahren müssen. Mal sehen was passiert wenn nicht nur die Kitas geschlossen sind sondern auch am Frankfurter und anderen Flughäfen nichts mehr geht. Die Kampfbereitschaft ist da. Der Unmut über den Abschluss ist auch ein Beweis dafür. Mit Betriebsversammlungen und Diskussionen könnte rasch ein effektiver Erzwingungsstreik vorbereitet werden, der die Arbeitgeber in die Knie zwingen würde.
Radikalen Kurswechsel durchsetzen
Gerade aufgrund der sich verschärfenden Staatschulden- und kapitalistischen Krise brauchen wir dringender denn je kämpferische und demokratische Gewerkschaften. Wenn wir nicht die volle Kampfkraft der Gewerkschaften in die Waagschale werfen, werden Unternehmer und Regierungen ihre Politik der Umverteilung von unten nach oben radikal fortsetzen. Wir brauchen konsequent geführte Tarifkämpfe, Streiks in einzelnen Branchen, brachenübergreifende gemeinsame Streiks, Massen- und Generalstreiks.
ver.di braucht innergewerkschaftliche Opposition
Die Tarifrunde bei Bund und Kommunen hat gezeigt, dass der ver.di-Vorstand eher die Interessen der Arbeitgeber vertritt als die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder. Anstatt die Wahlen in NRW und die Bundestagswahl im nächsten Jahr als Vorteil für einen erfolgreichen Tarifkampf zu nutzen, nehmen Bsirske und Co. Rücksicht auf Regierungen und etablierte Parteien. Mit dem Tarifabschluss sorgen sie dafür, dass die nächsten Milliarden wieder bei den Banken landen und nicht bei den Beschäftigten. Oder anders ausgedrückt: Bsirske ist die Sanierung der Finanzen von Banken und Staat wichtiger als die Behebung der Finanzkrise der Erzieherinnen, Müllwerker, und KrankenpflegerInnen. Diese staatstragende Haltung der ver.di-Führung können wir uns nicht länger leisten. Wir müssen einen radikalen Kurswechsel von unten durchsetzen. Die Politik der Gewerkschaften muss von der Basis bestimmt werden und nicht von abgehobenen Apparatschiks. Wir brauchen Funktionäre, die die Interessen der Basis vertreten und nicht mehr verdienen als einen Durchschnittslohn. Die Mitglieder der Bundestarifkommission und alle anderen Funktionäre müssen jederzeit rechenschaftspflichtig und abwählbar sein. Um das zu erreichen, müssen wir eine schlagkräftige innergewerkschaftliche Opposition aufbauen. Wir fordern alle kämpferischen Kolleginnen und Kollegen, ver.di-Mitglieder und Nicht-Mitglieder auf, mit uns dafür zu kämpfen. Nehmt Kontakt mit uns auf. Lasst Euch in unseren Verteiler aufnehmen. Kommt zum nächsten bundesweiten Netzwerktreffen.
Dieter Elken - 12. Apr, 17:19